Vortrag über die Gefährlichkeit rechtsextremer Musik am Ernst-Kalkuhl-Internat

Jugendliche interessieren sich heute angeblich nicht für Politik. Doch sie interessieren sich für Musik, haben immer und überall ihre MP3-Player im Ohr, wollen Popstars werden. Und das wissen die rechten Rattenfänger. Musik kann auch auf Abwege führen, zu rechtsextremistischem Gedankengut und Handeln gegen die Demokratie.

„Aber wir hören doch keine Nazi-Musik!“ So argumentierten einige der Internatsschüler am Ernst-Kalkuhl-Gymnasium, als für Mittwochnachmittag ein Vortrag über die Gefährlichkeit rechtsextremer Musikangebote aufs Programm gesetzt wurde. Überraschend, wie viele Bands aus der rechten Szene dann aber doch von den Schülerinnen und Schülern mit Namen genannt werden konnten!

Vor etwa 70 Schülern der 10. bis 12. Jahrgangsstufe gelang es Hans Joachim Stockschläger, Referent der Friedrich-Naumann-Stiftung, in 90 Minuten einen Bogen zu schlagen von den Ursprüngen rechtsextremer Musik in der Punkbewegung der 1960er/70er Jahre bis hin zu heutigen Phänomenen. Punk richtete sich an die sozial Benachteiligten, die Verlierer der „no future“ Generation. Also jene, die von Arbeitslosigkeit betroffen waren und meinten, die Gesellschaft böte ihnen keine Zukunft. Es handelte sich um unzufriedene Jugendliche mit viel Zeit für Partys, Kumpel und für Nichtstun, „weil nichts anderes da war“. Zudem wurde die Musik von Jugendlichen für Jugendliche gemacht und gaukelte nicht nur „heile Welt“ vor. Mit Punk-Musik wurde der Protest gegen die Politiker, gegen die Gesellschaft, gegen das bestehende System vermittelt. Die Rechtsextremisten hätten die prollige, schnelle und laute Musik adaptiert, um ihre Inhalte zu transportieren.

Die musikalischen Kostproben der als Neonazi-Musik bekannten Skinhead-Musik, abgespielt über eine professionelle Beschallungsanlage, hatten es dann auch in sich: Der Schock über extrem gewaltverherrlichende und fremdenfeindliche Texte in Verbindung mit der lärmenden und aggressiven Musik hinterließ deutliche Spuren in den Gesichtern der Zuhörer.

Äußerst alarmierend, so Stockschläger, sei aber, welcher Musikrichtungen sich die Rechtsextremen heutzutage bedienten. Zunehmend sind dies die leiseren Töne, etwa in der Öffentlichkeit weniger bekannte „Liedermacher“, die mit der Gitarre in der Hand eine wachsende Anhängerschaft erreichen oder Bands, die bekannten Volks- und Popliedern neue Texte wie „Sonderzug nach Mekka“ verpassen. Und selbst vor HipHop und der Gothic-Szene machen Rassenhass und Gewaltverherrlichung nicht halt. Damit erreichen die Neo-Nazis nun ein deutlich breiteres Publikum.

Erschreckend sei, mit welch perfiden Methoden Rechtsextreme ihre Musik „kreieren“ und verbreiten, um Jugendliche anzusprechen. Vor Schulhöfen werden CDs mit demokratiefeindlichen Argumentationen (bspw. unter dem Deckmantel der Meinungsfreiheit) kostenlos verteilt oder Internet-Tauschbörsen und der direkte Austausch von Musikdateien werden erst durch den Reiz des Verbotenen richtig „cool“.

Der Referent machte deutlich, dass die Musik in der rechten Szene mehrere Aufgaben erfüllt. Einerseits dient sie als Lockmittel für Kinder und Jugendliche, dann verbreitet sie sehr einprägsam Vorurteile und Gewaltbereitschaft, und schließlich ist die Musikszene ein wichtiges rechtsextremes Kommunikationsmittel. Spass wird versprochen, Abwechslung vom tristen Alltag, Ablenkung der Aggressionen in die Musik und in den Alkohol. Was die Jugendlichen aber auch abbekommen, sind knallharte politische Botschaften, die meist in knackigen Schlüsselbegriffen verpackt werden und sich durch die andauernden Wiederholungen auch bei Nicht-Neonazis festsetzen.

„Ich persönlich stehe auf Gothic! Doch was alles dahinterstecken kann, ist sehr erschreckend“, äusserte sich eine Schülerin nach der Doppelstunde, die wie ihre Altersgenossen und auch die Internatspädagogen erschrocken war über das Ausmaß an Menschenverachtung und Gewalt in den Liedtexten.