Am 28.05.2007 erfuhren wir über die Medien vom Tod von Jörg Immendorff . Sein Kampf gegen die seltene Nervenkrankheit „ALS“ war Inhalt verschiedenster Sendungen und Berichte in den vergangenen zwei Jahren. Als Maler und Professor an der Düsseldorfer Kunstakademie genoss er weltweit Hochachtung, und er zählt zweifelsfrei zu den wichtigsten Repräsentanten deutscher Gegenwartskunst. Vor kurzem erst hatten Tageszeitungen sein eigenwilliges „goldenes“ Kanzlerportrait von Gerhard Schröder, seinem Freund, wie häufiger zu lesen war, auf die Titelseite gesetzt und damit für Diskussionsstoff gesorgt. Die Medien liefern momentan Würdigungen des künstlerischen Schaffens von Jörg Immendorff. und Kunstinteressierten werden hier die wesentlichen Aussagen und Strukturen seines Werks rückblickend vor Augen geführt.
An dieser Stelle geht es aber darum, den Bezug Immendorffs zu unserer Schule, dem Ernst-Kalkuhl Gymnasium, noch einmal anzusprechen.
Jörg Immendorff besuchte das EKG von 1957 bis 1963. Meine Erinnerungen an den fünf Jahre älteren Mitschüler Jörg sind noch fest umrissen.
Aus Blekede in Niedersachsen stammend war Immendorff zunächst für ein knappes Jahr in das Internat eingezogen bis seine Eltern sich in Beuel niedergelassen hatten. Rückblickend schien diese Zeit nicht immer einfach für ihn gewesen zu sein. Schlafsäle mit 40 Schülern aber, wie er später in Talkrunden verlauten ließ, hatte es nie in unserer Schule gegeben.
Unter uns Schülern war bekannt, dass „der Immendorff“ sehr gut malen könne und den Respekt seiner Kunstlehrer genieße. 1960, beim 80. Jubiläum der Schule, er war damals in der Untertertia (Klasse 8), war ihm bereits ein eigener Präsentationsraum gewidmet worden, der heutige Filmraum. Als besondere Auszeichnung musste er es empfinden, dass Stefan Andres, ein bedeutender Schriftsteller der 50er – 60er Jahre, nach seiner Festrede „Immendorffs“ käuflich erwarb. Dem schlossen sich sein Deutschlehrer Herr Severin, seine Klassenlehrerin Frau Dr. Born und der Lateinlehrer Meyer an , wie mir Jörg am Telefon im Jahr 2005 im Zusammenhang mit der Vorbereitung unseres mittlerweile 125jähjrigen Schuljubiläums präzise mitteilen konnte.
Angeregt durch dieses Telefongespräch gab Immendorff innerhalb eines umfangreichen Lebensrückblicks in der Wochenzeitung die „Zeit“ vom 31.03.05 seine Erinnerungen an die Schulzeit in Oberkassel wieder.
Auf Einladung des Malers zu einer Retrospektive im Bonner Kunstmuseum vor ein paar Jahren brachten wir Jörg Immendorff zur Begrüßung Kopien von seinen früheren Schulpapieren mit. Beim Betrachten des großformatigen Bildes „Malerwald“ von 1998 in dieser Ausstellung stellten sich Erinnerungen bei mir ein an eben jene „Waldkompositionen“, die der Schüler Immendorff als Kulissenbilder für eine Aufführung des „Sommernachtstraums“ im Rahmen der Feierlichkeiten für das 80jährige Schuljubiläum maßgeblich gestaltet hatte. Fotos davon existieren noch, die Kulissen aber, noch einige Jahre auf dem Speicher aufgehoben, segneten irgendwann das Zeitliche.
Von 1961 bis 1963 war Jörg für die graphische Gestaltung der damaligen Schülerzeitung „Unsere Welt“ verantwortlich. In den Heften finden sich verschiedenste zeichnerische und graphische Entwürfe und auch ein Text Immendorffs zur Bewertung einer Kunstausstellung. Das Titelblatt des Heftes von 1963, hierauf sind schemenhaft unser „Mittelhaus“ und davor in expressionistischer Malweise eine Schülermenge zu erkennen, durften wir nach Absprache mit dem Künstler 40mal neu drucken lassen.
Die Blätter wurden am Tag vor unserer Geschichtsausstellung zum 125. Jubiläum in Immendorffs Atelier in Düsseldorf signiert. Dabei lernte unser Schüler Sandor Kessel, der eine erstklassige Facharbeit über Jörg Immendorff geschrieben hatte, die Arbeitswelt des Malers kennen. Der Erlös aus dem Verkauf der Blätter ging mit in die Neuanschaffung eines Flügels ein. Nicht zu vergessen ist dabei das Engagement unseres ehemaligen Direktors Herrn Peicherts, der, selbst kunstinteressiert, mit Immendorff in den letzten Jahren bei Ausstellungen zusammentraf und in unserer Festschrift einen Beitrag über den Künstler schrieb.
Herr Ludwig Siekmeyer, der Kunstlehrer, der sich Jörg Immendorff gegenüber damals besonders verantwortlich und künstlerisch verbunden fühlte, darf hier nicht unerwähnt bleiben. Er selbst, ganz Gentleman („mit Fliege“), bayrischer Herkunft, aber ehemaliger Student an der Düsseldorfer Kunstakademie im frühen 20.Jh hatte sein Atelier „direkt neben Otto Dix“. Er erkannte Jörgs Talent recht bald und bestärkte die eher zweifelnden Eltern darin, dass Jörg schon nach der „Untersekunda“ (Klasse 10) das Gymnasium verlassen sollte, um sich ganz der Malerei zu widmen. – Ein zu jener Zeit sehr ungewöhnlicher und mutiger Schritt für jemanden, der eigentlich Jura oder Medizin studieren sollte.
Heute, am 29.05.2007 telefonierte ich mit Frau Dr. Born, der ehemaligen Klassenlehrerin von Jörg, die mit ihren 92 Jahren in prägnanter Form über ihren ehemaligen Schüler sprach. Sie war es, die 1963 die Worte auf sein Abgangszeugnis schrieb: „Jörg verlässt unser Gymnasium, um die Kunstakademie in Düsseldorf zu besuchen.“